Yeti – Der Schneemensch (GB 1957)

Original: The Abominable Snowman

Laufzeit: 86 Minuten (Pal)

Studio: Anolis im Vertrieb der e-m-s

Regie: Val Guest

Darsteller: Peter Cushing, Forrest Tucker u.a.

Bildformat: 1:2,35 (16:9)

Ton: Mono 2.0 Deutsch, Englisch

Untertitel: Deutsch

Extras: Audiokommentar von Val Guest und Nigel Kneale, Trailer, Bildergalerien u.m.

 

 

 

 

 

 

 

1. Mythologischer Horror

 

»Yeti – Der Schneemensch« gehört zu den großen Klassikern, die das britische Studio Hammer produziert hat, auch wenn der Titel den ein oder anderen an ein Trashprodukt denken lassen könnte. Zu Beginn der 50er Jahre, als das Filmprojekt ausgearbeitet wurde, tauchten Berichte von Himalaja-Expeditionen auf, die übermenschlich große Fußspuren gesichtet hatten. Die Ausschmückungen der Berichte in den Zeitungen ließen die Phantasie sprießen und nährten den Glauben, es gäbe ein Wesen namens Yeti. Diese Kreatur, welche man als eine Art hünenhaften Ableger des Urmenschen kolportierte, bildet einen zentralen Mythos, der eng mit dem höchsten Gebirge der Erde verbunden ist. Das Geheimnisvolle hinter dem Wesen, das niemand (außer Reinhold Messner) bislang gesehen hat, befördert zusammen mit der majestätischen Erscheinung des Himalajas die Neugier des Menschen. Für die mythische Überhöhung des Yeti ist sowohl verantwortlich, dass man über das scheue Wesen keinerlei Erkenntnisse besitzt und somit die Leerstellen durch die Fähigkeit der Phantasie gefüllt werden müssen, als auch die vermutete Verbindung zum Menschen.

Der erste Punkt führt zu einem bei manchen Menschen extrem ausgeprägten Forschergeist, der zum einen überprüfen möchte, ob die eigenen Thesen über den Yeti korrekt sind, zum anderen schlicht dafür sorgen möchte, dass die Leerstellen ein für allemal geschlossen werden. Hier verbinden sich innere Eitelkeit und wissenschaftlicher Drang zu einer Mischung, die einen menschlichen Charakter produziert, der mit eindringlichem Tunnelblick nur noch ein Ziel kennt. Verluste spielen bei einer solchen Rechnung ebenso wenig eine Rolle, wie die Integrität des Yeti selbst.

Der zweite Punkt sorgt für eine Mischung aus Faszination und Abscheu gegenüber dem, was die Menschheit hätte werden können, aber gerade noch einmal vermieden hat. Dabei wird selbstverständlich in schöner Regelmäßigkeit vergessen, dass der so genannte Homo Sapiens auf seine Entwicklung nur wenig Einfluss hatte.

»Yeti – Der Schneemensch« benutzt dramaturgisch sowohl die mythische Überhöhung des geheimnisvollen Wesens, als auch die Figur des selbstbezogenen Expeditionsleiters, dem er mehrere Gegengewichte in Form eines menschlicher agierenden Wissenschaftlers sowie dessen humanistischer Frau zur Seite stellt.

In einem Himalaja-Kloster befindet sich der Wissenschaftler John Rollason mit seiner Frau. Während seines Aufenthaltes trifft der draufgängerische Tom Friend ein, der neue Hinweise auf die Existenz des Yetis besitzt. Friend führt eine Expedition an, für die er auch Rollason gewinnen möchte. Trotz der Bedenken seiner Frau lässt sich Rollason auf das Unternehmen ein, weil er bereits seit vielen Jahren vom Yeti fasziniert ist. Während er jedoch nur die Frage klären will, ob die Kreatur existiert, hat Friend ganz andere persönliche Interessen, hinter denen auch verletzte Eitelkeit durch fehlgeschlagene Expeditionen anderer Art steckt. Um einen klaren Erfolg verbuchen zu können, möchte Friend ein Exemplar des Yetis fangen und zur Schau stellen.

Regisseur Val Guest hat die mythische Erscheinung des Yeti soweit verinnerlicht, dass er sie zum Konzept seines Horror-Films gemacht hat. Obwohl das Hammer-Studio einen riesigen beweglichen mechanischen Yeti gebaut hat, entschied sich Guest dafür, in keiner Einstellung des Films ein vollständiges Abbild des Yeti zu zeigen. Der allgemeine Zustand der Menschheit, nichts Konkretes über das Wesen zu wissen, fließt auf diese Weise in das Werk ein. Guest reproduziert den Mythos kongenial und sorgt für einen effektiven Spannungsaufbau. Gleichzeitig setzt er das Geheimnisvolle aber nicht nur so ein, dass die Expedition und damit der Zuschauer voller Neugier gefangen bleiben, sondern er suggeriert über verschiedene Elemente der Handlung einen überlegenen Umgang des Yetis mit den Expeditionsteilnehmern, die zunehmend das Heft aus der Hand genommen bekommen. Der ursprüngliche Mythos erfährt eine weitere Überhöhung, die schließlich in einem Überwesen mündet, zu dem die Menschen aufschauen müssten. Die Größe der Berglandschaft, vor welcher die Expedition an Bedeutung verliert, verbindet sich mit der Yeti-Erscheinung zu einer spirituellen Anklage. Im Angesicht des Yetis sieht man nicht das, was man nicht sein möchte, sondern das, was man nie erreichen wird.

 

2. Bild/Ton

 

»Yeti – Der Schneemensch« wurde in atmosphärischen Schwarz-Weiß-Bildern komponiert, die den Spannungsaufbau unterstützen. Anolis präsentiert das kontrastreiche Material ohne größere Schwächen. Nur selten zieht das Bild bei Schwenks ein wenig nach, aber das bereitet kein Problem. In ähnliche Bereiche stoßen die beiden Mono 2.0-Tonspuren (Deutsch, Englisch) vor. Ganz ohne Rauschen präsentiert sich das Material bei einem Alter von fast 50 Jahren nicht, das ist jedoch unproblematisch.

 

3. Bonus-Material

 

Zur großen Freude enthält die DVD einen Audiokommentar von Val Guest (Regisseur) und Nigel Kneale (Drehbuchautor), die vermutlich nicht zusammen vor dem Mikrophon gesessen haben. Neben einigen hörenswerten Anmerkungen beider Beteiligter über die Dreharbeiten, die Darsteller und das Projekt erfährt man auch, dass offensichtlich ein paar künstlerische Differenzen zwischen den Beiden bestanden haben. Das ist vor allem in Bezug auf das Verhältnis Drehbuchautor/Regisseur von Bedeutung, besitzt aber auch eine filmhistorische Dimension, da Nigel Kneale immer auch auf die ältere BBC-Fernsehserie hinweist, welche den Stoff zuvor bearbeitete. Die restlichen Extras bleiben im üblichen Rahmen.

 

Fazit: Ein mythologischer Horrorfilm, der auf spannende Weise Figurenpsychologie entfaltet und auch den Menschen selbst thematisiert, erfährt eine gute DVD-Veröffentlichung.

 

Stefan Dabrock

 

 

zurück