Im Vorhof der Hölle (USA 1990)

Original: State of Grace

Laufzeit: 120 Minuten (Pal)

Studio: MGM

Regie: Phil Joanou

Darsteller: Sean Penn, Ed Harris, Gary Oldman, Robin Wright, John Turturro u.a.

Bildformat: 1:1,85 (16:9)

Ton: DD 5.1 Englisch, DD 2.0 Deutsch, Französisch, Spanisch

Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch u.a.

Extras: Trailer

 

 

 

 

 

 

 

1. Eine zerrissene Geschichte

 

Es besitzt einen ungemeinen nostalgischen Reiz, Filme auf DVD wiederzusichten, die man seinerzeit – noch relativ jung – in einem kleinen Programmkino das erste Mal gesehen hat, Filme, die einen in ihren Bann gezogen hatten und die man seitdem nicht wieder zu Gesicht bekommen hatte. Auch wenn sich manches früher verehrte Werk inzwischen als große Enttäuschung herausstellt, so dass es besser gewesen wäre, den Schrank der Erinnerung verschlossen zu lassen, anstatt ihn neu zu befüllen, gibt es auch immer wieder die Momente, welche einen erneut von der Magie des Kinos überzeugen. Die DVD-Veröffentlichung der Gangsterballade »State of Grace« hat für einen solchen positiven Moment gesorgt. Sean Penn verkörpert einen Bostoner Undercover-Cop, der vor Jahren aus dem New Yorker Irenviertel – der Hell’s Kitchen – abgehauen war, um dem Kreislauf der Gewalt zu entfliehen. Jetzt kehrt er zurück, um Beweise gegen den irischen Gangsterboss Frankie Flannery zu ermitteln, der dabei ist, mit dem benachbarten Mafia-Paten einen Kooperationsdeal abzuschließen. Während seiner Arbeit muss der Cop feststellen, dass die Konfrontation mit seiner Kinderstube eine persönliche emotionale Erosion erzeugt, welche ihn zu zerreißen droht. Vor allem das Wiedersehen mit seinem besten Freund aus alten Tagen, der fast nur noch saufend an der Flasche hängt, sowie mit seiner einstigen Liebe, die inzwischen aus dem Viertel in ein anderes New Yorker Stadtgebiet gezogen ist, weil sie ebenfalls den brutalen Verhältnissen der Hell’s Kitchen entfliehen möchte, bringt sein Selbstverständnis ins Wanken.

Vor 12 Jahren, als ich den Film zum ersten Mal im Bielefelder Lichtwerk gesehen habe, war es die pure Inszenierungskraft einzelner hochatmosphärischer Sequenzen, die mich in ihren Bann gezogen hat. Da wird ein erschossener Polizist zu Dudelsackklängen begraben, während Sean Penn als Cop und sein bester Freund, den Gary Oldman verkörpert, die Szenerie von Außen beobachten. Sicherlich gehört das Pathos dieser Beerdigung zum Klischeekanon des Kinos, aber zum einen hebt sie sich in »State of Grace« durch die dramaturgische Konstruktion mit der verheimlichten Identität Penns vom Üblichen ab, zum anderen haben erste Seherfahrungen keinen Sinn für die Filmgeschichte. Es handelt sich vielmehr um einen unversehrten Blick auf etwas Neues, das Magie und Kraft ausstrahlt, das beweist, welche emotionalen Kräfte das Kino ausstrahlen kann. Und deswegen dürfen Filme auch immer wieder sehr ähnliche Geschichten produzieren, die mit Konventionen und ähnlichen Szenen arbeiten, denn es wird immer wieder neue Menschen geben, die hier ihre ersten Seherfahrungen bekommen, die dadurch das Kino lieben lernen. Die gesamte Kritik gegenüber dem Genre-Kino, die auf der These aufbaut, dass immer wieder dasselbe erzeugt würde, dass man das Gezeigte bereits tausendmal gesehen habe, speist sich aus der Arroganz eines Menschenschlags, der zufällig in der glücklichen Lage ist, eine große Zahl an Filmen zu sehen. Es handelt sich um Menschen, denen ihr erster Blick abhanden gekommen ist, die nicht mehr in der Lage sind, die Variation im Gleichen zu erkennen, die durch gleichmacherische Grobheit, die Feinheiten eines Films bereits nicht mehr sehen. »State of Grace« ist - obgleich inzwischen selbst Filmgeschichte – in der Lage, den Blick für die Details wieder zu schärfen. Die oben beschriebene Szene besitzt durch ihre leichte Verschiebung hinsichtlich der Identitäten im Film eine von tiefer Trauer durchsetzte Spannung, die einzigartig ist. Sean Penn blickt gleichzeitig auf sein aktuelles Leben, seine Polizeiidentität, bekommt eine mögliche Zukunft gezeigt – die Lebensbedrohung ist für ihn während des ganzen Films präsent – und muss sich gegenüber seinem Freund verstellen, wie er zusätzlich seine Vergangenheit – eigentlich ein wichtiger Teil von ihm – verleugnen muss. In dieser einzigen Szene bündelt Phil Joanou die wichtigsten Konflikte des Films auf eine derart dichte Weise, dass er zu purer Energie transzendiert. Während mein Erstkontakt mit »State of Grace« also durch ein Aufsaugen seiner Kraft geprägt war, kommt 12 Jahre später ein ungemein tieferes Verständnis für die gezeigten Konflikte hinzu. Da behandelt der Film Themen wie persönliche Isolation unter Freunden, prekäre Wertekonflikte zwischen Berufsloyalität und Loyalität zu Freunden und natürlich die unmögliche Liebe. Sie alle speisen sich aus demselben bitteren Nektar, aus dem man selbst in der Zwischenzeit nur allzu oft und allzu ungern getrunken hat. Dabei halten sich die Analogien natürlich insoweit in Grenzen, dass mein Leben bis hierhin glücklicherweise weit entfernt von derart physischer Gewalt abgelaufen ist, wie sie im Film zu sehen ist, aber die psychologischen Wurzeln besitzen vergleichbare Teile.

Zum Abschluss bleibt nur noch der dankbare Blick auf eine wundervolle Gangsterballade, die zwischen heftigen Gewaltausbrüchen und Szenen warmer Friedlichkeit changierend, über Lebenslügen, persönliche Zerrissenheit und die von Trauer durchzogenen Verhältnisse der Hell’s Kitchen reflektiert.

 

2. Bild- und Tonqualität

 

MGM hat eine ausgezeichnete DVD herausgebracht, an der sich die Konkurrenten messen lassen müssen. Die Bildqualität besticht durch eine brillante Schärfe, hervorragend gewählten Kontrast und eine saubere Vorlage ohne Verschleißspuren. Für die Tonqualität gilt Vergleichbares. Vor allem der englische 5.1 Up-Mix sorgt für ein angenehm räumliches Filmerlebnis.

 

3. Extras

 

Als Bonus gibt es nur den Trailer

 

Fazit: Die emotional kraftvolle Gangsterballade »State of Grace« wurde von MGM in einer ausgezeichneten DVD veröffentlicht, bei der man sich nur ein paar Extras wünschen würde.

 

Stefan Dabrock

 

 

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