The Heart of the Warrior (ESP 2000)

Original: El Corazón del guerrero

Laufzeit: 110 Minuten (Pal)

Studio: e-m-s

Regie: Daniel Monzón

Darsteller: Fernando Ramallo, Neus Asensi, Joel Joan, Santiago Segura u.a.

Bildformat: 1:1,85 (16:9)

Ton: DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Spanisch; DD 2.0 Deutsch, Englisch

Untertitel: Deutsch

Extras: Making Of, Storyboards, Trailer, Teaser u.m.

 

 

 

 

 

 

 

1. Spanisches Genre-Kino

 

Die erste große Welle spanischer Genre-Filmkunst lief in den 70er Jahren über die iberische Halbinsel. Regisseure wie Amando de Ossorio oder Leon Klimovsky erfanden aus dem Geist des legendären Universal-Horror-Zyklus der 30er Jahre ihre eigene Version eines Schreckenskinos. Werwölfe, Mumien und Vampire feierten in den wilden Werken häufig gemeinsame Auftritte. So lässt Jess Franco in seinem 1974 entstandenen "Die Nacht der offenen Särge" einen Vampir und einen Werwolf gegen einen merkwürdigen Wissenschaftler kämpfen, welcher nach der Weltherrschaft strebt. Darüber hinaus ist der Film eher aufgrund seiner konfusen Handlung sowie peinlichen Patzern des inneren Zusammenhangs bekannt. Zu den wichtigsten Darstellern dieser Zeit gehört Jacinto Molina, besser bekannt als Paul Naschy. In seiner prägendsten Rolle als Werwolf Waldemar Daninsky geisterte er durch eine Vielzahl an Filmen, darunter "Die Vampire des Dr. Dracula" (1967, Regie: Enrique López Eguiluz) und "Die Nacht der blutigen Wölfe" (1971, Regie: Leon Klimovsky). Einen eigenen kleinen Zyklus erschuf sich Amando de Ossorio mit der vier Beiträge umfassenden »Reitende Leichen«-Serie, deren erster Teil ("Die Nacht der reitenden Leichen", 1971) in sich geschlossene Genre-Kost voller Spannung bietet. Gegen Ende der 70er Jahre war es jedoch erst einmal mit spanischem Genre-Kino vorbei, bis Anfang der 90er eine neue Generation junger Regisseure diesen Bereich erneut für sich entdeckte. Alex de la Iglesia gehört mit seinen beiden ersten Filmen "Aktion Mutante" (1993) und "El Dia de la Bestia" (1995) ebenso zu den Wegbereitern wie Alejandro Amenábar mit "Tesis" (1996). Daniel Monzón profitierte von dieser Entwicklung, so dass er im Jahr 2000 den Fantasy-Film »The Heart of the Warrior« realisieren konnte.

 

2. Das Rollenspiel

 

Mit Hilfe einer ebenso einfachen wie treffsicheren Metapher beweist Monzón, welche Möglichkeiten das phantastische Genre jenseits reiner Achterbahnfahrten zu bieten hat. Das Thema des Erwachsenwerdens versetzt der Spanier in ein Rollenspielgeflecht, das sich auf unterschiedlichen Ebenen ausbreitet. In der Jetzt-Zeit gehört der 16jährige Ramon zu einer Gruppe Jugendlicher, die sich regelmäßig zu Rollenspielabenden trifft, bei denen sie in eine Fantasy-Welt aus Kriegern, Amazonen, Magiern und ähnlichen Elementen eintauchen. Man flieht gemeinsam aus einer Welt, in der die attraktiven Mädchen immer in den Armen der anderen Jungen landen. Im Dasein eines imaginären Helden gewinnen sie die Selbstsicherheit sowie die Erfolgserlebnisse, welche ihnen in der Realität verwehrt bleiben. Gleichzeitig versucht in einem fernen Fantasy-Reich außerhalb der Grenzen unserer Welt der tollkühne Krieger Beldar gemeinsam mit der Amazone Sonja das wertvolle »Herz des Kriegers« an sich zu bringen. Nachdem er es aus der »Gruft der 1000 Augen« entwendet hat, landet Beldar zu seiner großen Verwunderung im heutigen Madrid in Ramons Körper. Aus dem Zusammentreffen von Held und Anti-Held geht ein neuer Ramon hervor, der sich sowohl nachts als auch tagsüber in die Realität Beldars hineinträumt, bis er überzeugt ist, dass ein gefährlicher Geheimorden Spanien bedroht. Die Orte und Figuren aus der Welt Beldars spiegeln sich plötzlich in den Gebäuden und Menschen Madrids wieder. Das Rollenspiel übernimmt die zentrale Stelle in Ramons Wahrnehmung. Regisseur Daniel Monzón überträgt die psychische Verfassung eines heranwachsenden Jungen in ein mehrstufiges System. Die Unsicherheit während der Pubertät sorgt für die Erschaffung einer anderen Welt, in der solche Probleme keine Rolle mehr spielen. Im Heldentum kann man ganz dem Kult um die eigene Person frönen, welche plötzlich auch objektiv zum wichtigsten Bestandteil der Realität wird. Die Selbstwahrnehmung mit den monströsen eigenen Schwierigkeiten spiegelt sich dadurch quasi in einer besseren, weil mit lösbaren Problemen versetzten Welt wieder. Die Suche nach einer Rolle im Leben hat kurzfristig zu einem brauchbaren Platz geführt. Während die Psyche den 16jährigen Ramon solchermaßen in eine Flucht führt, die letztlich auch eine Erfüllung in der Beziehung zum anderen Geschlecht bereithält, bricht sich der Fluchtort selbst einen Weg in die Realität. Dadurch wird Ramon gezwungen, die künstlich angenommene Rolle nicht nur fiktional, sondern tatsächlich auszufüllen. Die Probleme holen den Jungen wieder ein, wenn er die Amazone Sonja, welche im heutigen Madrid in der Gestalt einer Prostituierten auftaucht, von ihrer wahren kämpferischen Natur überzeugen muss. Die übergeordnete Heldenrolle, welche Ramon in Form der zu lösenden Aufgabe dabei helfen kann, seinen Platz im Leben zu finden, prallt auf die Vermutung eines sexuellen Begehrens seitens der Prostituierten. Letztlich könnte aber erst die Lösung der gestellten Aufgabe den Jungen dazu befähigen, ein natürliches Verhältnis gegenüber dem anderen Geschlecht zu entwickeln. So baut "The Heart of the Warrior" auf geschickte Weise ein Zusammenspiel der miteinander verschränkten Welten auf, um ein kontinuierliches Spannungsfeld zu erzeugen. Dabei spielt die Interpretation der Wirklichkeit eine entscheidende Rolle. Am Ende des Abenteuers wird Ramon seine Unschuld behalten. Denn "The Heart of the Warrior" ist nicht nur eine intelligente, spannende Reflexion über die Befindlichkeit eines 16jährigen Jungen, sondern auch eine Ode an die Phantasie, die Aufforderung in den Dingen mehr zu sehen, als nur ihre schnöde Oberfläche.

 

3. Bild, Ton und Extras

 

In Bezug auf die Bildqualität gibt es nur leichte Beanstandungen zu machen. Während Kontrast, Schärfe und Schwarz-Level ordentlich sind, hat die Kompression einige leichte Rauschmuster hinterlassen. Das fällt aber nicht böse auf. Der spanische sowie der deutsche DD 5.1-Surround-Sound bewähren sich mit druckvoller Dynamik und schönen Surround-Effekten. Die Action-Szenen kommen wuchtig zur Geltung.

Das Bonus-Material der DVD fällt etwas schmal aus. Das Making-Of besteht meistenteils aus inhaltlichen Wiedergaben des Films und bietet dementsprechend nur geringen Kaufanreiz. Die beigefügten Storyboards sind zwar interessant, aber etwas klein geraten, da sie nicht den kompletten Bildschirm füllen. So geht der Genuss etwas unter. Darüber hinaus bietet die DVD eine Bildergalerie, Filmographien, den Trailer, zwei Teaser und ein Musikvideo zu Szenen des Films.

 

Fazit: In filmischer Hinsicht kann die DVD voll überzeugen, während das Bonus-Material in einem üblichen, wenig spektakulären Rahmen bleibt.

 

Stefan Dabrock

 

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